Conference Review:

International Computer Music Conference (ICMC) in Berlin 27. August - 1. September 2000 (JM)

This annual conference brought together more than 400 scientists and artists  from all part of the world (last year mPeking, next Havana!). It highlighted  a trend: pure electro-acoustic music via loudspeakers is an aesthetic loser, so artists are searching for a synthesis of sound and vision to create a new virtual reality. (Alexa Woolf)

A report from Jean Martin for Deutschlandfunk Cologne - read on in German:

Die 26. internationale Computer Musik Konferenz brachte mehr als 400 Wissenschaftler und Künstler aus aller Welt für 5 Tage nach Berlin. (Imletzten Jahr war Peking der Konferenzort und im nächsten Jahr wird esHavanna sein.) Das Konferenzprogramm war umrahmt von täglich 2 Konzerten -nachmittags und abends.

Auf der Off-ICMC wurden jeden Abend mehr experimentelle künstlerischeProjekte vorgestellt. Ein Bonus war das Schlußkonzert der Inventionen mit Nonos Prometeo.

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Ein Trend wurde auf der Internationalen Computer Music Conference besonders deutlich: Künstler streben nach einer Verschmelzung von Klang und Bild zu neuen virtuellen Realitäten. Reine elektroakustische Lautsprechermusik war ästhetisch auf der Verliererseite.

Zur Konferenz fanden sich über 400 Wissenschaftler und Komponisten zusammen.Der Zweck der Konferenz ist, die neuesten Techniken in der Computermusik zu diskutieren. Was soll man sich nun unter Computermusik vorstellen? Unter Computermusik wird alle Musik verstanden, die zu ihrer Entstehung einen Computer benötigt. Im wesentlichen geht es darum, sinnvolle neue Musikinstrumente und musikalische Werkzeuge zu schaffen. Einerseits werden Klanganalyse- und synthese Techniken diskutiert. (Besonders das Physical Modeling, in dem das physikalische Verhalten beim Spielen von Musikinstrumenten durch Computerprogramme simuliert wird, ist ein wichtiger Forschungsbereich. Engdamit verbunden sind Untersuchungen der Gestik beim Spielen und wie diese als Programme formalisiert werden können. Aber auch Bereiche der Lautsprecherakustik und der räumlichen Verteilung von Klängen wurden behandelt.)

Andererseits wurden Probleme des algorithmischen Komponierens diskutiert, d.h. wie können Klangerereignisse in der Zeit als Partituren organisiertwerden.

Wie intelligent und komplex Computerprogramme auch sein mögen, die künstlerische Entscheidungen werden aber immer beim Komponisten liegen.

Das reichhaltige musikalische Rahmenprogramm der Konferenz wurde passend mit John Cages HPSCHD eröffnet. Cage realisierte HPSCHD 1968 mit der Hilfe von Lejaren Hiller auf einem Computer. HPSCHD wurde im Foyer der Philharmonie und im Musikinstrumentenmuseum in der maximalen Version mit 7 Cembali, Tonbändern und 58 Lautsprecher präsentiert:

Musik: HPSCHD (kurz)

Neben HPSCHD war Luigi Nonos Prometeo der musikalische Höhepunkt der Woche.

Das Konzert am 31. August in der Philharmonie wurde vom diesjährigen Inventionen Festival und dem DAAD organisiert und demonstrierte auf eindrucksvolle Weise, wie Live-Elektronik von einem guten Komponisten in einer Komposition auf höchstem künstlerischem Niveau integriert werden kann. Das Ensemble Modern, der Freiburger Solistenchor und das Freiburger Experimentalstudio realisierten Nonos subtile, oft in der Stille verschwindene Raum-Klangkomposition mit großer Konzentration in einer Aufführung von 2 1/2 Stunden Dauer.

Musik: Nono: Prometeo

Die ICMC hat einen betont interdisziplinären Charakter: Wissenschaftler und Künstler werden zusammengebracht, Hochkultur mit Populärkultur konfrontiert. Dies wurde auch durch die Off-ICMC unterstrichen. Jeden Abend ab 22 Uhr präsentierten Laptop-Künstler im Podewil Rohes und Ungekochtes. Auch hier zeigte sich ein deutlicher Trend: fast jeder Laptopartist kombinierte die abstrakten elektonischen Klänge mit Bildsequenzen. Die Off-ICMC war ein voller Erfolg und war täglich gut besucht!

Der Schwede Ake Parmerud stellte das Auftragswerk The Fire Inside (Im Feuer), eine interaktive Klang- und Video-Komposition, zugleich Installation und Instrument, vor. Ein Zuschauer kann sich mittels eines Kontrollmechanismus durch die verschiedenen akustischen und visuellen Ebenen eines Feuers bewegen, ohne sich zu verbrennen. Parmerud hat ein wunderbares Instrument geschaffen, mit dem jeder Zuschauer nach eigener Wahl auf eine virtuelle Wanderung durch ein Feuer gehen kann.

Parmerud Klangbeispiel

Viele der 70 Kompositionen, die während der Konferenz täglich am Nachmittag in der Matthäuskirche und abends in der Akademie der Künste vorgestellt wurden, waren ästhetisch weniger überzeugend. Neben Stücken für Instrumentalensembles und Solisten mit computergestützer, interaktiver Live-Elektronik waren die meisten Kompositionen reine, computergenerierte elektroakustische Musik. Neben Kompositionen von Elsa Justel und Francis Dhomont ist Agon von Horacio Vaggione eines der überzeugenderen Stücke:

Musik: Agon (H. Vaggione)

Die Präsentation von elektroakustischer Musik über Lautsprecher in einem Konzertsaal ist problematisch. Erstens wird ein fixiertes Musikstück abgespielt, das jederzeit exakt in derselben Form wiederholbar ist. DieEinmaligkeit eines traditionellen Live Konzertes ist nicht gegeben. Zweitens ist der ästhetisch Anspruch dieser Komponisten, ihre Musik als autonome, in sich geschlossene Kunstwerke zu hören nicht tragfähig. Die formale Konstruktion dieser Stücke ist oft vernachlässigt zugunsten einer Konzentration auf das Klangmaterial selbst. Drittens hängt elektroakustische Musik, wie sie auf der ICMC präsentiert wurde, einer überholten Ästhetik nach, die in den 40er und 50er Jahren aktuell war. Damals war es noch revolutionär, eine Musik zu komponieren, die nur über Lautsprecher abspielbar war.

Der Laie wird sich fragen, wo die Anwendungen der Computermusik liegen?

Ioannis Zannos, der für die Auswahl der Konferenzbeiträge verantwortlich war, fasst die Trends der Forschung so zusammen:

Zannos: ³Es gibt zwei Paradigmen oder Änderungen, die ausschlaggebend sind: das eine ist die Vernetzung, die Kommunikation also zwischen verschiedenen Systemen, egal ob sie in derselben Zeit oder am selben Ort oder in unterschiedlichen Zeiten oder unterschiedlichen Orten miteinander kommunizieren. Der andere Aspekt ist der Aspekt der Simulation oder der Emulation oder des Modelierens, d.h. das Nachahmen der Natur oder der Prozesse, die um uns in der Welt passieren im Mikroskopischen alsauch im Makroskopischen Bereich bis hin zum Sozialen oder zum kognitiven-evolutionären Bereich mit der Maschine. (Was den mikroskopischen, physikalischen Bereich betrifft ist es das sogenannte pysikalische Modeling, aber genauso aufregend und mit demselben Aufwand wird betrieben das Modelieren von emotionalen Vorgängen, von Wahrnehmungsvorgängen und schließlich bis hin zu sozialen Vorgängen).

Neben dem künstlerischen Umgang mit diesen neuen Technologien und der reinen Wissensgewinnung über musikalische Vorgänge finden viele Erkenntnisse rasch Anwendungen in der Unterhaltungsindustrie: in Hollywood Filmen, virtuellen Spielen, dem Internet und bei mobilen Telephonen.  Ein Resultat der zahllosen Konzerte mit elektroakustischer Musik ist die Erkenntnis, dass reine Lautsprechermusik besser in Kombination mit Film, Tanz oder Skulptur wirkt.

Jean Martin


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